Kleinbäuerliche Hausgärten im ländlichen Bogotá und ihre agrarökologische Schlüsselrolle

Während die Großstädte Lateinamerikas zu wuchern scheinen, gibt es in den von Kleinbäuer:innen bevölkerten ländlichen Randgebieten,  weiterhin vielfältige landwirtschaftliche Praktiken. Die Verstädterung verändert jedoch das ländliche Leben in den Randgebieten der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Vor allem die Vielfalt der angebauten Pflanzen nimmt rapide ab, wie Stefan Ortiz-Przychodzka (Doktorand in unserem Projekt) und andere Forscheende während ihrer Feldforschung in der Region feststellten. Dieser Verlust an Agrobiodiversität hat umfangreiche Folgen: Er führt zu Veränderungen der ortsgebundenen Praktiken und dem damit verknüpften Wissen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Ernährung der Menschen wie auch die Landschaften an Vielfalt verlieren. Während Nahrung und Medikamente ursprünglich auf den eigenen Höfen oder bei Nachbarn erzeugt wurden, nimmt nun die Abhängigkeit von äußeren Einflüssen und Märkten für den Kauf von Lebensmitteln und Medikamten zu.

In diesem Zusammenhang untersuchten die Forschenden das Vorkommen verschiedener agrarökologischer Praktiken in 25 Hausgärten im ländlichen Bogotá, die das Fortbestehen des lokalen Wissens über Pflanzen, deren Verwendung und landwirtschaftliche Nutzung belegen. Die Ergebnisse wurden kürzlich von Ortíz und Kolleg:innen  in  einem Paper zu agro-ökologischen Funktionen der Nischen der Agrobiodiversität veröffentlicht: Funciones agroecológicas de los nichos de agrobiodiversidad en la ruralidad de Bogotá, Colombia | Agroecological functions of the agrobiodiversity niches of rural Bogota, Colombia.

Obwohl sie sehr klein sind, sind die Hausgärten wichtige Orte für das tägliche Leben der Bäuer:innen: Sie verwenden die Pflanzen zum Kochen, für die Medizin, zur Dekoration und für spirituelle Praktiken. Einige verkaufen auch Früchte, Knollen und Gemüse, die ohne synthetische Chemikalien angebaut werden. Sie organisieren sich über Verbände lokaler Landwirt:innen, die die Produkte auf städtischen Märkten für Bio-Lebensmittel anbieten.

Interessanterweise sind die Hausgärten auch Orte zur Erhaltung der biologischen Vielfalt: In 23 Fällen schützen die Landwirt:innen Wasserquellen und pflegen regeionale Bäume und Pflanzenarten. Für die Bäueri:innen erfüllen die über 200 Pflanzen, die sie selbst in ihren Gärten kennen, mehrere wichtige agrarökologische Funktionen. Die meisten Pflanzen locken Bestäuber an, andere helfen bei der Schädlingsbekämpfung, schützen den Boden vor Dürre oder dienen als Windschutz. Schließlich bieten sie Nahrung für Vögel und Insekten oder sind allein deshalb wertvoll, weil sie Teil der lokalen Artenvielfalt sind. In Anbetracht dieser vielfältigen Funktionen bezeichnen die Autor:innen diese Orte als “Nischen der Agrobiodiversität” und erläuern einige Überlegungen zur potenziellen Rolle von Nischen der Agrobiodiversität, (wie z. B. Hausgärten), bei der Verbesserung der Landschaftsvernetzung und der Förderung einer nachhaltigen sozial-ökologischen Dynamik in der Regiont. Dies ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass es sich bei den meisten Baumarten in diesen Hausgärten um einheimische Arten handelt. Außerdem wachsen dort einheimische Nutz- und Heilpflanzen, vor allem Knollen und Wurzeln aus den Anden, die auf den lokalen Märkten zunehmend knapp werden. Darüber hinaus befinden sich diese Orte in der Nähe von Wasserquellen, Bächen und Flüssen in den Ökosystemen der Hochanden auf über 2600 Metern Höhe und tragen zu deren Erhaltung bei. Hausgärten sind lebendige, multifunktionale Orte, in denen biokulturelle Beziehungen gepflegt werden.

Wenn Sie mehr über die Nischen der Agrobiodiversität im ländlichen Bogota erfahren möchten, können Sie sich unseren Artikel (auf Spanisch) ansehen:

Ortiz-Przychodzka, S., Quiroga Manrique, C., Monroy Hernández, J. & Pérez, D. (2023). Funciones agroecológicas de los nichos de agrobiodiversidad en la ruralidad de Bogotá, Colombia | Agroecological functions of the agrobiodiversity niches of rural Bogota, Colombia. Íconos – Revista de Ciencias Sociales. XXVII. 201-224. 10.17141/iconos.75.2023.5534

Weitere Publikationen zum thema finden Sie hier:

Consuegra, C., Ortiz, S., Cely-Santos, M., van der Hammen, M. C., Pérez, D. (2021). “Plantas que toda la vida han estado”: una co-investigación alrededor de la cocina y las relaciones bioculturales asociadas a plantas alimenticias locales en la ruralidad de Bogotá | “Plants that have always been there”: A co-research around cooking and biocultural relationships associated with local food plants in rural Bogotá

Ortiz, S., Consuegra, C., Hammen, M. & Pérez, D.. (2021). Perspectivas urbano-rurales sobre la circulación de dos frutos silvestres del bosque altoandino en sistemas agroalimentarios de Bogotá, Colombia | Urban-rural perspectives about the circulation of two wild berries of high-Andean forest in agri-food systems of Bogota, Colombia.

 

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